In seiner Widmung an die Republik Genf führt Jean-Jacques Rousseau als Motto ein Zitat aus Aristoteles’ Politik an: “„Nicht in depravierten Dingen, sondern in jenen, die sich in einem guten Zustand gemäß der Natur befinden, muß man betrachten, was natürlich ist.” (D2, 4; Aristoteles, Politik, 1254, 36-38, Übersetzung aus D2, 4) Der Verweis auf die aristotelische Vorstellung des Naturgemäßen hat offensichtlich programmatischen Charakter für Rousseaus gesamten Diskurs über die Frage der Ungleichheit. Doch gerade deswegen verdient er eine gewisse Aufmerksamkeit, insbesondere wenn man den theoretischen Kontext berücksichtigt, aus dem Rousseau das aristotelische Zitat herauslöst. Aristoteles erörtert an dieser Stelle die naturgegebene Rollenverteilung zwischen Herr und Sklave, zwischen Herrschendem und Beherrschtem und vor allem das Verhältnis von Herrschen und Beherrschtwerden zwischen Seele und Körper. Direkt nach dem Satz, den Rousseau als Motto gewählt hat, heißt es bei Aristoteles: „Also muss man auch den Menschen betrachten, der sich im besten körperlichen und seelischen Zustand befindet; an ihm wird das klar. Denn bei Menschen, die schlecht sind oder sich in einem schlechten Zustand befinden, scheint wohl des öfteren der Körper über die Seele zu herrschen, weil sie sich in einem schlechten Zustand befinden und sich wider die Natur verhalten.“ (D2, 38-41). Offenkundig bezieht sich Rousseau im Hinblick auf Tugend und Klarheit des Verhältnisses von Seele und Körper auf Aristotoles, aber nicht im Hinblick auf die Vorstellung von Gleichheit. In der Tat spricht er in seiner Widmung an die Genfer Bürger von Tugend und von naturgegebener

Politische Utopie un hypothetischer Ursprung

IACONO, ALFONSO
2015-01-01

Abstract

In seiner Widmung an die Republik Genf führt Jean-Jacques Rousseau als Motto ein Zitat aus Aristoteles’ Politik an: “„Nicht in depravierten Dingen, sondern in jenen, die sich in einem guten Zustand gemäß der Natur befinden, muß man betrachten, was natürlich ist.” (D2, 4; Aristoteles, Politik, 1254, 36-38, Übersetzung aus D2, 4) Der Verweis auf die aristotelische Vorstellung des Naturgemäßen hat offensichtlich programmatischen Charakter für Rousseaus gesamten Diskurs über die Frage der Ungleichheit. Doch gerade deswegen verdient er eine gewisse Aufmerksamkeit, insbesondere wenn man den theoretischen Kontext berücksichtigt, aus dem Rousseau das aristotelische Zitat herauslöst. Aristoteles erörtert an dieser Stelle die naturgegebene Rollenverteilung zwischen Herr und Sklave, zwischen Herrschendem und Beherrschtem und vor allem das Verhältnis von Herrschen und Beherrschtwerden zwischen Seele und Körper. Direkt nach dem Satz, den Rousseau als Motto gewählt hat, heißt es bei Aristoteles: „Also muss man auch den Menschen betrachten, der sich im besten körperlichen und seelischen Zustand befindet; an ihm wird das klar. Denn bei Menschen, die schlecht sind oder sich in einem schlechten Zustand befinden, scheint wohl des öfteren der Körper über die Seele zu herrschen, weil sie sich in einem schlechten Zustand befinden und sich wider die Natur verhalten.“ (D2, 38-41). Offenkundig bezieht sich Rousseau im Hinblick auf Tugend und Klarheit des Verhältnisses von Seele und Körper auf Aristotoles, aber nicht im Hinblick auf die Vorstellung von Gleichheit. In der Tat spricht er in seiner Widmung an die Genfer Bürger von Tugend und von naturgegebener
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