Franz Kafka und Thomas Bernhard sind Meister der Paradoxie und haben den unauflöslichen Widerspruch zwischen Wunsch und Realität, zwischen Sehnsucht nach Totalität und Bewusstsein der Grenze, zwischen Notwendigkeit und Freiheit, zwischen Liebe zur Wahrheit und Überzeugung ihrer Unauffindbarkeit auf verschiedene Weisen literarisch gestaltet. Sie haben sich dafür überwiegend Formen moderner pathetisch-grotesker Komik sowie des Motivs des Labyrinths bedient, das als das von der Rationalität selbst produzierte Irrationale das Paradoxe par excellence darstellt. Sowohl als Motiv wie auch als Denkfigur und Schreibweise ist das Labyrinth bei Bernhard allgegenwärtig und in seiner stark ausgeprägten Ambivalenz als das vielleicht auffälligste Signal von Kafkas literarischem Vermächtnis in seinem Werk zu erkennen. Zumindest kann man behaupten, dass die sich labyrinthisch entfaltende Suche nach Auswegen im Bewusstsein des Mangels an Auswegen, nach Wahrheit und Erkenntnis im Bewusstsein ihres fragmentarischen Charakters wenn nicht sogar ihrer Unerreichbarkeit, den literarischen Konvergenzpunkt darstellt zwischen Bernhard, der „immer nur so geschrieben [hat], wie [er] sich selber gedacht [hat.]“ , und Kafka, der in seinen Texten das Durchgehen eines Labyrinths anonymer und undurchschaubarer Machtapparate auf der einen Seite, der epistemischen und existenziellen Unsicherheiten des ihnen hilflos ausgelieferten Menschen auf der anderen, auf gnadenlos genaue und meist angsterregende Weise wagte. Im Labyrinth treffen Kafkas und Bernhards Auslegung der Wirklichkeit sowie ihre Poetiken zusammen.
"gerade die Vorsicht verlangt wie leider so oft, das Risiko des Lebens". Franz Kafka und Thomas Bernhard – Baumeister literarischer Denklabyrinthe.
serena grazzini
2024-01-01
Abstract
Franz Kafka und Thomas Bernhard sind Meister der Paradoxie und haben den unauflöslichen Widerspruch zwischen Wunsch und Realität, zwischen Sehnsucht nach Totalität und Bewusstsein der Grenze, zwischen Notwendigkeit und Freiheit, zwischen Liebe zur Wahrheit und Überzeugung ihrer Unauffindbarkeit auf verschiedene Weisen literarisch gestaltet. Sie haben sich dafür überwiegend Formen moderner pathetisch-grotesker Komik sowie des Motivs des Labyrinths bedient, das als das von der Rationalität selbst produzierte Irrationale das Paradoxe par excellence darstellt. Sowohl als Motiv wie auch als Denkfigur und Schreibweise ist das Labyrinth bei Bernhard allgegenwärtig und in seiner stark ausgeprägten Ambivalenz als das vielleicht auffälligste Signal von Kafkas literarischem Vermächtnis in seinem Werk zu erkennen. Zumindest kann man behaupten, dass die sich labyrinthisch entfaltende Suche nach Auswegen im Bewusstsein des Mangels an Auswegen, nach Wahrheit und Erkenntnis im Bewusstsein ihres fragmentarischen Charakters wenn nicht sogar ihrer Unerreichbarkeit, den literarischen Konvergenzpunkt darstellt zwischen Bernhard, der „immer nur so geschrieben [hat], wie [er] sich selber gedacht [hat.]“ , und Kafka, der in seinen Texten das Durchgehen eines Labyrinths anonymer und undurchschaubarer Machtapparate auf der einen Seite, der epistemischen und existenziellen Unsicherheiten des ihnen hilflos ausgelieferten Menschen auf der anderen, auf gnadenlos genaue und meist angsterregende Weise wagte. Im Labyrinth treffen Kafkas und Bernhards Auslegung der Wirklichkeit sowie ihre Poetiken zusammen.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.