Es ist in der Geschichte des lateinischen Romans im allgemeinen nicht sehr bekannt, daß über das Satyrikon des Petronius und den Metamorphosen Apuleius’ hinaus auch die abenteuerliche Historia Appolonii regis Tyri (3. Jahrhundert) von herausragender Bedeutung ist. Sie ist das Werk eines unbekannten Autors und man vermutet, daß sie auf einen griechischen Archetyp (2. oder 3. Jahrhundert) zurückgeht und möglicherweise von einer Reihe weiterer Werke beeinflußt worden ist, darunter auch Xenophons von Ephesus Antheia und Habrokomes (2.-3. Jahrhundert) . Die gefühlvolle Psychologie des Romans wurde sogar als Nachhall der Remedia amoris Ovids bezeichnet, die als heilbringende Mittel, die unglückliche Liebe mit der Waffe des Zynismus und der Verleugnung des Offensichtlichen überwinden helfen, aufzufassen sind. Diese Ansammlung, die sich aus inzestuösen Intrigen, Fluchtversuchen und Schiffsbrüchen, rhetorischen Disputen und Kurzweil verschiedener Art, aus Treue, Keuschheit und Liebesleid zusammensetzt, erzielte im Verlauf des Mittelalters einen beachtlichen Erfolg ¬— es sei an dieser Stelle nur auf die mehr als hundert Handschriften allein in lateinischer Sprache hingewiesen, die dies beweisen —, wobei das Werk unweigerlich fortlaufenden Überarbeitungen unterworfen wurde, zunächst christlichen Zuschnitts, auf die anschließend eine Einbettung in einen höfischen Kontext folgte. Die Geschichte des Apollonius findet seine natürliche Heimat in der umfangreichsten europäischen Literaturgattung höfischer Prägung, die die leiderfüllten Herzensangelegenheiten eines jungen Paares schildert, deren Krönung zu guter Letzt die lang ersehnte Hochzeit darstellt (engl. bridal-quest narrative). Es handelt sich hierbei um ein Thema, das gekennzeichnet ist durch das klassische Schema a) Auserwählung durch die junge Frau b) Umwerbung c) Hochzeit und den Höhepunkt des Erfolgs zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erreicht, was durch die beachtliche Anzahl literarischer Zeugnisse belegt wird, in denen in unterschiedlichem Maße epische, moralisieriende, melodramatische oder idyllische Töne vorherrschen.

Tradition und Erneuerung im Apollonius von Tyrus in der nordischen Welt

BATTAGLIA, MARCO
1998-01-01

Abstract

Es ist in der Geschichte des lateinischen Romans im allgemeinen nicht sehr bekannt, daß über das Satyrikon des Petronius und den Metamorphosen Apuleius’ hinaus auch die abenteuerliche Historia Appolonii regis Tyri (3. Jahrhundert) von herausragender Bedeutung ist. Sie ist das Werk eines unbekannten Autors und man vermutet, daß sie auf einen griechischen Archetyp (2. oder 3. Jahrhundert) zurückgeht und möglicherweise von einer Reihe weiterer Werke beeinflußt worden ist, darunter auch Xenophons von Ephesus Antheia und Habrokomes (2.-3. Jahrhundert) . Die gefühlvolle Psychologie des Romans wurde sogar als Nachhall der Remedia amoris Ovids bezeichnet, die als heilbringende Mittel, die unglückliche Liebe mit der Waffe des Zynismus und der Verleugnung des Offensichtlichen überwinden helfen, aufzufassen sind. Diese Ansammlung, die sich aus inzestuösen Intrigen, Fluchtversuchen und Schiffsbrüchen, rhetorischen Disputen und Kurzweil verschiedener Art, aus Treue, Keuschheit und Liebesleid zusammensetzt, erzielte im Verlauf des Mittelalters einen beachtlichen Erfolg ¬— es sei an dieser Stelle nur auf die mehr als hundert Handschriften allein in lateinischer Sprache hingewiesen, die dies beweisen —, wobei das Werk unweigerlich fortlaufenden Überarbeitungen unterworfen wurde, zunächst christlichen Zuschnitts, auf die anschließend eine Einbettung in einen höfischen Kontext folgte. Die Geschichte des Apollonius findet seine natürliche Heimat in der umfangreichsten europäischen Literaturgattung höfischer Prägung, die die leiderfüllten Herzensangelegenheiten eines jungen Paares schildert, deren Krönung zu guter Letzt die lang ersehnte Hochzeit darstellt (engl. bridal-quest narrative). Es handelt sich hierbei um ein Thema, das gekennzeichnet ist durch das klassische Schema a) Auserwählung durch die junge Frau b) Umwerbung c) Hochzeit und den Höhepunkt des Erfolgs zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erreicht, was durch die beachtliche Anzahl literarischer Zeugnisse belegt wird, in denen in unterschiedlichem Maße epische, moralisieriende, melodramatische oder idyllische Töne vorherrschen.
1998
Battaglia, Marco
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